Dieses eine Lied - 22.6.25

 

Ihr habt ja so recht

mit dem lachenden Sonnenschein

mit dem Kitzeln des Windes am Nasenbein

dem Sommerglück in der Wiese

den Schwänen und Zecken

und auch guter Laune

mit Kirschen und Schnecken

und all diesen Sachen.

 

Mir aber bleibt heute

mein eigenes Lachen

einfach im Halse stecken

als ging ich allein

durch den tiefdunklen Wald

oder glitschigen Keller

wie früher als Kind.

Damals sang ich erst leise dann laut

dieses eine Lied, das mir half,

meinen Weg zu gehn

um die Angst nicht zu sehn.

 

 

 

Ich lieg unter Bäumen

bei Kirschen und Schnecke

im Schatten der Hecke

und dicht neben mir

dass ich sie fühle

liegt meine Angst

und sie kann es nicht lassen

mit kalter Schwüle

mich eng zu umfassen.

 

Also sing ich erst leise

wie damals als Kind

dieses eine Lied

das mir hilft meinen Weg zu gehn

um die Angst nicht zu sehn

Doch ein sanftwarmer Wind

spielt und tanzt

mit uns beiden

mit mir und der Angst.

 

 

 

 

Also singe ich lauter

denk an Schwäne und Schnecken

an Kirschen und Zecken

ans wirkliche Glücklichsein

und an all diese Sachen.

Ich versuch auch zu lachen.

Ja - manchmal gelingts

und ich spüre das Kitzeln am Nasenbein.

 

Dann sing ich noch lauter

wie damals im Keller

und am Ende des Liedes

wenn alles gesungen

bleibt das Leben auf einmal

bei Kirsche und Schnecke

an schattiger Hecke

in Stille stehn

lässt nur Sommerwind wehn

Ach, das wäre schön!

Nach dem Konzert

 

Und Schnee lag wie Kristall auf seinem Kragen

Im Lichtschein der Laterne glitzerte er scheu     

Ich stand vor ihm und wusste nichts zu sagen    

Mein Mund war rot und stellte keine Fragen      

Und all mein Jugendsehnen stand auch mit dabei  

 

Er sprach von Brahms und was er damit meine 

Um seine Lippen lag ein Zug so mild und weich 

Man gehe hin mit Tränen und man weine   

Da war mein Mund auf einmal ganz alleine 

Und ich erschrak und wurde fahl und winterbleich

 

Noch flüsterte Musik in meinen Ohren

Das Eis - es taute sacht in seinem Haar  

Doch meine Lippen waren schon gefroren

Mein Sehnen hab ich im Kristall verloren

Ich sah mich gehen eh ich angekommen war

 

 

Erster Frost

 

Der Tag versinkt und trägt zum Abschied rot,

der See liegt da in milchig scheuer Glätte

und was einst blühte, ist jetzt starr und tot,

die kahlen Äste zeigen Silhouette.

 

Das Eis der Nacht, das lauernd lag im Wald,

kriecht nun hervor, mit gierigem Gebaren,

hüllt alles ein, sein rauer Atem hallt

und Leben friert, wo gestern Sonnen waren.

 

Ich steh, und zitternd löst sich meine Seele,

schwebt schutzlos fort zum eisig fahlen Schimmer.

Kein flüsternd Laut entringt sich meiner Kehle,

die Sonne in mir brennt. Und brennt noch immer.

Der Fluss

 

Die Zeitung heute hat geschrieben,

ein jeder von uns hundert Liter weint

in seinem Leben. Doch mir scheint,

dies ist ein wenig übertrieben.

 

Ich gebe zu, hab viel geweint im Leben,

nicht nur um dich, auch oft um mich allein

und andres. Bild dir bloß nicht ein,

es hätte keinen weitern Grund gegeben.

 

Der Tränenquell aus meinen Augen,

der einst ein Bächlein, ist jetzt Wasser groß.

Und eine Ahnung lässt mich nicht mehr los,

wozu der Kummerstrom am End mag taugen.

 

Gedenk ich der vergangenen Jahre,

so scheint’s, als hab ich ausgeweint.

Doch ist genug zum Fluss vereint,

den bald in Charons Schiff ich überfahre? 

 

Noch gestern schien mit allen Tränen Schluss,

so trocken war mir Aug und Wange.

Denk heut an diese Fahrt ich, wird mir bange -

Ob ich noch weiter weinen muss?

Oben am Berg

 

Sieh den Berg

den wir zur Feier

unserer Kindheit hinabrollten

schreiend vor Glück

Grasbüschelkränze im Haar

 

hinab ins dunkle Tal

direkt in die Arme

der ungeladenen Fee

mit ihrer Spindel

und wir in Schlaf fielen

 

träumend

vom Grasbüschelberg

und vom Glücksschrei

hundert Jahre und mehr

bis wir erwachten

 

ungeküsst

trockene Kränze im Haar

Spindelstiche an unseren Fingern

laut schreiend aber wach

oben am Berg

 

 

Wandlung

 

Nun fallen Schatten, Schalenträume,

verhängte Spiegel, Fleckenlicht,

sie brechen trocken Schicht um Schicht

von deiner Seele, blättern Räume

zum neuen Ich. Noch liegt es nicht -

 

- ganz frei. Doch wisse, nach dem Ringen,

getragen von der Sonne Schein,

gleich einem Vogel wirst du sein,

mit starken, weiten Federschwingen

den Raum zu teilen - er ist dein.

 

 

Engel

 

Du glaubst, es gäbe keine Engel mehr?

Wir alle werden Engel sein,

wenn einst wir unsere Grenze überschreiten

weil jemand lockend unsern Namen ruft.

 

Wir werden frei von Trauer, Schmerz und Leid

das süße Namensingen lernen

und suchend nieder auf die Menschen schauen,

die unsern Weg noch nicht gegangen.